Wurzeln des Bullshits

25. Januar 2025 |

Als zu Beginn der ersten Präsidentschaft Donald Trumps vermehrt von »Postfaktizität« und »alternativen Fakten« die Rede war, tauchte vielerorts die Zeitdiagnose auf, wir erlebten einen tiefgreifenden Wandel im politischen Diskurs: Wahrheit und Lüge würden immer mehr verschmelzen. Dazu schrieb ich damals, 2017, ein Paper, das eigentlich in einem Sammelband erscheinen sollte. Dieser kam aber letztlich nicht zustand – und der Text verschwand in der Schublade. Ich habe das Paper daher neulich zumindest mal bei Academia hochgestellt, da mir die Überlegungen darin weiterhin richtig erscheinen. Inspiriert von Adam Curtis’ HyperNormalisation, entwickelte er bereits 2017 die These, dass die Erosion rationaler Verständigung nicht nur von Rechtspopulisten gefördert wird. Sie speist sich aus unterschiedlichen ideologischen Strukturen, die auf je eigene Weise die Wirklichkeit so beugen, dass sie den eigenen Prämissen entspricht: Man richtet sich in einer Schweinwelt ein.

So hat etwa der Neoliberalismus mit seiner Lebenslüge von den Sachzwängen ebenso zur Auflösung geteilter Wahrheiten beigetragen, wie auch die identitätspolitische Linke die Autorität gefühlter Wahrheiten gestärkt hat. Postfaktische Dynamiken finden sich in diversen Milieus, die damit beschäftigt sind, ihre Widersprüche zu überspielen, und dabei Bullshit produzieren. Zugrunde liegt dem die allgemeine Ausbreitung irrationaler Strukturprinzipien, auf denen die jeweiligen Akteure ihre ideologischen Ableitungen bauen. Das Resultat dieser Konjugation von Bullshit ist eine Normalisierung des Widersinns. Und die ist günstig für autoritäre Kräfte, deren Verhältnis zur Wahrheit ohnehin ein instrumentelles ist. Das Ergebnis dieses Prozesses sehen wir heute.

Paper: Holger Marcks, Die Konjugation von Bullshit. Zur Dynamik der Hypernormalisierung (2017), auf: Academia (online hier).